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Geschichte - Rollendialog - Die Witwe und der ungerechte Richter

Kurzbeschrieb

Hannas hartnäckiges betteln hilft ihr, dass ihr der Richter schlussendlich hilft. Eine Geschichte, die der Vergleich zulässt, dass wir als Menschen bei Gott zuversichtlich um Gerechtigkeit betteln dürfen.

Detailbeschrieb

Die Witwe und der ungerechte Richter (Lk 18,1-18) 

E = Erzähler*in / H = Hanna / U = Uria / M = reicher Mann / R = Richter

Wo nötig – vor allem bei kurzen Einschüben kann die Erzähler-Rolle gekürzt oder gar gestrichen werden...

E:        Die letzte Nachbarin ist gegangen. Hanna schliesst die Tür hinter ihr und lehnt sich mit dem Rücken dagegen. Mit einer müden Bewegung löst sie ihr Kopftuch und lässt es zu Boden fallen. Sie schliesst die Augen.

Noch einmal sieht sie die Nachbar*innen und Nachbarn vor sich, wie sie am frischen Grab ihres Mannes vorüberziehen. Das laute Weinen und Heulen der Klageweiber tönt ihr noch in den Ohren.

Nach der Beerdigung haben die Frauen sie nach Hause begleitet und versucht, sie ein wenig zu trösten.

H:        „Nun bin ich eine Witwe“ -

E:         denkt Hanna,

H:        „und unser Uria ist ein Waisenkind.“

E:        Die Tränen laufen ihr übers Gesicht, aber sie hat nicht die Kraft sie wegzuwischen.

            Hanna weiss nicht, wie lange sie so dagestanden ist.

Plötzlich spürt sie eine warme Kinderhand am Arm.

U:        „Mutter, ich habe Hunger.“

E:        Erst jetzt merkt sie, dass die Sonne untergegangen ist und dass es langsam dunkel wird im Haus. Das Herdfeuer ist ausgegangen, weil niemand Holz nachgelegt hat. Hanna fröstelt. Sie zieht ihr Umschlagtuch enger um die Schultern und streicht ihrem Kind über den Kopf.

H:        „Wir haben noch Brot von gestern. Es ist ein wenig hart, aber wir werden uns daran gewöhnen müssen, altes Brot zu essen. – Oh, fast hätte ich vergessen, dass ich ja noch die Ziege melken muss. So bekommst du wenigstens frische Milch. – Wenn wir nur die Ziege behalten können.“

E:        Bald darauf deckt Hanna ihren kleinen Sohn zu und gibt ihm einen Gutenachtkuss. Dann legt auch sie sich auf ihre Schlafmatte.

H:        „Schlafen, schlafen und für ein paar Stunden alles vergessen“

E:         murmelt sie vor sich hin...

Aber ihre Trauer und ihre Sorgen lassen sie nicht einschlafen.

H:        „Ich will beten“,

E:         denkt sie...

H:        „Bis gestern habe ich doch jeden Abend vor dem Einschlafen gebetet. Aber was soll ich denn zu Gott sagen? Wofür könnte ich ihm heute danken? – Danken kann ich nicht, aber ich kann ihm von meinem Kummer erzählen: Gott: mächtiger Gott, warum musste mein Mann sterben? Ich weiss: Jesus hat uns zu beten gelehrt: Dein Wille geschehe! Aber es ist so schrecklich schwer zu verstehen! Hilf mir, Gott!“

E:         Nun fühlt sich Hanna etwas leichter. Bald schläft sie ein.

Am nächsten Morgen kommen die Nachbar*innen wieder. Sie bringen Glut für die Feuerstelle, Brot und einen Krug mit frischem Wasser. Dankbar drückt Hanna den Frauen die Hand.

Am Nachmittag holt sie die Hacke hervor und geht auf den kleinen Acker. Das Hacken und Jäten wird sie ein wenig ablenken, hofft sie. Vielleicht kann sie so ihren Schmerz für ein Weilchen vergessen.

Als sie sich nach einiger Zeit aufrichtet und den Rücken streckt, sieht sie einen Mann auf sich zukommen.

H:        „Vielleicht ist es einer der Nachbarn, vielleicht will er mir helfen“,

E:         denkt sie und schaut ihm erwartungsvoll entgegen.

Aber es ist kein Nachbar. Es ist der reiche Mann, dem ihr Haus gehört. Was kann der nur wollen?

M:       „Guten Tag, Hanna“,

E:         grüsst der Mann, dann kommt er gleich zur Sache.

M:       „Nächste Woche ist die Miete fällig. Kannst du sie bezahlen?“,

E:         Hanna wird rot.

H:        „N - ein“,

E:         stottert sie.

H:        „Wir hatten da Geld für die Miete beisammen, aber ich musste doch den Klagefrauen und dem Totengräber etwas geben. Bitte, habe ein wenig Geduld. Bald sind die Feigen reif, die kann ich auf dem Markt verkaufen. Und dann werde ich Arbeit suchen. Nicht wahr, du lässt mir ein wenig Zeit?“

M:       „Es tut mir leid, aber ich kann nicht warten. Du weißt: die Geschäfte... Meine Angestellten wollen ihren Lohn, und meine Kinder wollen zu essen. Und wer garantiert mir, dass du in ein paar Wochen bezahlen kannst? Nein, so geht es nicht. Ich will das Haus an jemanden vermieten, der sicher bezahlen kann. Such dir etwas anderes – so schnell wie möglich.“

E:         Und schon dreht sich der Mann um und geht weg. Hanna starrt hinter ihm her.

H:        „Du Unmensch!“

E:         schreit sie ihm nach, aber er dreht sich nicht einmal um.

Hanna schleudert ihre Hacke mit aller Kraft auf den Boden.

Eigentlich tut es gut, so wütend zu sein.

Die Wut überdeckt die Trauer ein wenig.

H:        „So ein gemeiner Kerl“,

E:         sagt sie laut vor sich hin.

H:        „Das darf er doch gar nicht. Es gibt Gesetze. Und im Gesetz steht, dass man eine Witwe nicht aus dem Haus jagen darf. – Ich muss zum Richter.

Heute ist Markttag, da wird er bestimmt Gericht halten. Ich will ihn bitten, mir zu helfen.“

E:        Entschlossen bückt sie sich nach ihrer Hacke und macht sich auf den Heimweg. Zu Hause wäscht sie sich die Hände und das Gesicht. Dann holt sie ihren Buben, der mit den Nachbarskindern gespielt hat, und geht mit ihm in die Stadt.

Der Richter sitzt, umringt von Klägern, Zeugen und Schaulustigen, auf seinem erhöhten Stuhl.

Hanna muss lange warten, bis sie an der Reihe ist. Als der Richter ihr endlich winkt, fasst sie Urias Hand fester und tritt vor ihn hin.

H:        „Hoher Richter, hör, was mir passiert ist: Erst gestern musste ich meinen Mann, den Vater dieses armen Kindes, begraben. Und schon heute kommt der Hausbesitzer und will uns vor die Tür setzen, weil wir die Miete nicht bezahlen können. Das ist doch nicht gerecht! Ist das nicht sogar verboten?“,

R:        „Hast du Zeugen?“

E:         fragt der Richter.

R:        „Ohne Zeugen kann sogar ich nichts machen.“

H:        „Natürlich habe ich keine Zeugen“,

E:         antwortet Hanna.

H:        „Er kam, als ich allein auf dem Feld arbeitete. Er wusste genau, dass uns niemand zuhörte.“

R:        „Es tut mir leid. Ich kann nichts für dich tun.“

E:         Der Richter macht mit der Hand eine Bewegung.

Hanna darf nichts mehr sagen. Der nächste Kläger ist dran.

            Enttäuscht und wütend geht Hanna davon.

H:        „So leicht lassen wir uns nicht abwimmeln“,

E:         sagt sie mehr zu sich selber als zu Uria.

An diesem Abend betet sie aus ganzem Herzen zu Gott. Ihr Mann ist tot. Sie weiss, dass sie es nicht ändern kann. Aber den Richter auf seinem hohen Stuhl, den kann sie vielleicht umstimmen.

H:        „Guter Gott“,

E:         betet Hanna.

H:        „Du hast gesehen, wie es mir heute ergangen ist. Du hast Unrecht gesehen, das mir diese beiden Männer angetan haben. Hilf mir! Gib mir die Kraft und den Mut, mich zu wehren. Amen.“

E:        Am nächsten Markt- und Gerichtstag steht Hanna wieder mit ihrem kleinen Buben vor dem Richter. Im ersten Moment kann er sich nicht erinnern, dass er diese Frau schon einmal gesehen hat. Doch dann kommt es ihm wieder in den Sinn.

R:        „Höre, gute Frau, ohne Zeugen musst du gar nicht mehr kommen. Du hast keine Chance!“

E:        Diesmal lässt sich Hanna nicht einfach fortschicken. Sie stemmt die Hände in die Seiten und wehrt sich.

H:        „Du gottloser Mensch, du. Wenn du nur ein Fünklein Menschlichkeit in dir hättest, würdest du mir helfen, auch wenn ich keine Zeugen habe.“

E:         Der Richter stutzt einen Augenblick. Dann lacht er auf.

R:        „Bleib mir doch mit Gott und der Menschlichkeit vom Leib. Gott ist vielleicht im Himmel – wenn’s ihn überhaupt gibt – aber hier unten sage ich, was recht ist und was nicht. Und jetzt verschwindet.“

E:        Jeden Abend fleht nun Hanna zu Gott, dass er ihr hilft. Sie bittet ihn, sie klagt ihm ihr Leid, sie macht ihm Vorwürfe. Gott soll alles hören, was sie bewegt. Und am nächsten Gerichtstag nimmt sie wieder ihr Kind an der Hand und geht zum Richter.

Diesmal weiss er sofort, wer vor ihm steht.

R:        „Was, bist du schon wieder da!“

E:         ruft er ärgerlich aus.

R:        „Meinst du, ich habe nichts Besseres zu tun, als mir immer wieder die gleiche Geschichte anzuhören? Ich habe dir doch gesagt, dass ich nichts machen kann.“

H:        „Oh doch! Wenn du nur wolltest, könntest du schon!“

E:         ruft Hanna laut.

H:        „Aber du wirst schon sehen: Gott hilft den Schwachen und den Unterdrückten – und den Frauen! Daran glaube ich.“

R:        „Was geht mich dein Gott an? Ich komme auch ohne ihn zurecht, wie du siehst. Also, mach schon, dass du fort kommst. Ich möchte dich hier nicht wieder sehen.“

E:        Trotzig schiebt der Richter sein Kinn vor und winkt den nächsten Kläger vor seinen Richterstuhl.

            Hanna und Uria gehen heim.

U:        „Mutter, was machen wir jetzt? Müssen wir fort von zu Hause?“

E:         fragt der Bub plötzlich.

Hanna schüttelt energisch den Kopf.

H:        „Nein, mein Schatz, wir gehen nicht. Der Vermieter müsste uns schon hinaustragen; von selbst gehen wir nicht. Wir bleiben im Haus! Und weißt du, was wir noch tun werden; weiterbeten und immer wieder zum Richter gehen.“

U:        „Ich will mit dir beten“,

E:         sagt der Bub.

U:        „Wenn wir zusammen Gott um Hilfe bitten, wird er uns schon helfen.“

E:        Von  nun an beten Hanna und Uria jeden Abend miteinander. Hanna nimmt seine kleinen Hände in ihre Hände, und dann betet sie laut:

H:        „Grosser Gott, bei dir ist alle Macht. Du siehst, wie ungerecht wir behandelt werden. Du siehst unsere Not. Dir ist nichts unmöglich. Deshalb bitten wir dich: Hilf uns! Amen.“

E:        Auch am nächsten und am übernächsten Gerichtstag gehen Hanna und Uria wieder zum Gerichtshof. Der Richter bekommt einen roten Kopf vor Ärger, sobald er sie in den Raum kommen sieht.

Hanna stört das nicht. Mutig tritt sie vor ihn hin, wenn sie an der Reihe ist. Und jedes Mal bringt sie ihre Klage vor; mit klarer Stimme verlangt sie vom Richter, dass er ihr hilft. Der Richter hält sich die Ohren zu.

R:        „Schickt diese Frau fort. Ich will sie nicht mehr sehen!“

E:        schreit er die Soldaten an, die hinter seinem Stuhl stehen. Diese zucken mit den Schultern und geben Hanna ein Zeichen, sie solle gehen.

H:        „Wir gehen, aber wir kommen wieder!“

E:        ruft Hanna im Weggehen dem Richter tu. Der fährt sich mit der Hand über die Stirn. Diese Frau wird ihm langsam unheimlich.

H:        „Gott, hörst du uns?“

E:         beten Hanna und Uria am Abend.

H:        „Wir wollen nicht aufgeben. Wir wollen nicht glauben, dass du uns nicht hilfst. Wir lassen dich nicht in Ruhe, genauso wenig wie wir den Richter in Ruhe lassen. hilf uns, bitte!“

E:        Wieder ist Gerichtstag. Hanna und ihr Sohn sind die Ersten, die in den Saal kommen. Der Richter springt von seinem hohen Stuhl auf, als er sie erblickt.

R:        „Hat man denn nie Ruhe vor euch! Das ist ja nicht zum Aushalten!

E:         ruft er ihnen entgegen.

H:        „Nein“,

E:         antwortet Hanna mit fester Stimme.

H:        „Wir lassen dich erst in Ruhe, wenn du deine Pflicht als Richter erfüllst und dem Hausbesitzer sagst, dass er uns nicht fortschicken darf. Sobald ich nicht mehr ständig zu dir rennen muss, habe ich auch Zeit, mir eine Arbeit zu suchen. Und dann kann ich auch bald die Miete bezahlen.“

E:         Mit einem Seufzer lässt sich der Richter auf den Sitz zurückfallen.

R:        „So geh mit zwei von meinen Soldaten und hole den Mann vor meinen Richterstuhl. Ich werde dir Recht verschaffen – wenn du mich nur endlich in Ruhe lässt.“

E:        Mit einem Jauchzer packt Hanna ihren Buben unter den Armen und wirbelt ihn durch die Luft.

H:        „Hast du das gehört? Er hilft uns! Wir haben es geschafft – Gott sei Dank!“

E:        Noch am gleichen Morgen bringen die Soldaten den Hausbesitzer vor den Richter. Und der muss sein Versprechen einlösen und vor allen Leuten, die gespannt zuhören, verkünden:

R:        „Niemand hat das Recht, die Witwe Hanna und ihren Sohn Uria aus dem Haus zu jagen. Sie dürfen dort bleiben!“